Labor - Experimentelle Psychopathologie und Psychotherapie

Im Forschungsbereich "Labor" untersuchen wir einzelne Prozesse, die bei der Entstehung und Behandlung von psychischen Störungen relevant sind, unter experimentell-kontrollierten Bedingungen. Dazu gehört die Entwicklung und Nutzung vereinfachter Labormodelle, die Lern- und Entscheidungsprozesse bei Angststörungen simulieren. Im Bereich Experimentelle Psychotherapie untersuchen wir den Einfluss kontrollierter Interventionsstrategien in unseren Labormodellen. So können in einem ersten Schritt kontrollierte Erkenntnisse über die Wirkweise der untersuchten Interventionen gewonnen werden, bevor sie in der tatsächlichen Behandlung angewendet werden. Inhaltlicher Schwerpunkt sind hierbei Lernprozesse bei Furcht, Angst und Vermeidung (z.B. Furchtextinktion, Furchtgeneralisierung und Vermeidungslernen) sowie Annäherungs-Vermeidungs-Entscheidungskonflikte.

Vermeidung, Sicherheitsverhalten und angst-entgegengesetztes Verhalten

Vermeidungs- und Sicherheitsverhalten wird typischerweise durch Angst ausgelöst und von Individuen adaptiv angepasst, um aversive Folgen und Schäden zu verhindern. Bei Angst- und verwandten Störungen sind diese Verhaltensweisen allerdings exzessiv, persistent und mit irrationalen Bedrohungen verbunden. Vor allen Dingen führen diese Verhaltensweisen zu erheblichen Beeinträchtigungen und Kosten für die Betroffenen (z.B. nicht mehr die eigene Wohnung verlassen können). In diesem Forschungsbereich untersuchen wir die Rolle solcher Kosten durch Vermeidung für die Entwicklung von Angst und Vermeidung. Darüber hinaus untersuchen wir, wie positive Folgen, die Angst und Vermeidung entgegenstehen, angst-entgegengesetztes Verhalten erleichtern können (z.B. anreizbasierte Extinktion von Vermeidung).

Exemplarische Publikationen und Übersichtsarbeiten:

Pittig, A., Wong, A. H. K., Glück, V. M., & Boschet, J. M. (2020). Avoidance and its bi-directional relationship with conditioned fear: Mechanisms, moderators, and clinical implications. Behavior Research and Therapy, 126, 103550. doi: 1016/j.brat.2020.103550

Pittig, A., Boschet, J. M., Glück, V. M., & Schneider, K. (2021). Elevated costly avoidance in anxiety disorders: Patients show little downregulation of acquired avoidance in face of competing rewards for approach. Depression and Anxiety, 38, 361-371. doi: 1002/da.23119

Pittig, A. & Wong, A. H. K. (2022). Reducing the return of avoidance and fear by directly targeting avoidance: Comparing incentive-based and instructed extinction of avoidance to passive fear extinction. Journal of Experimental Psychopathology, 13, 20438087221136424. doi: 1177/20438087221136424. Open data: osf.io/2xec3/

Pittig, A. & Wong, A. H. K. (2021). Incentive-based, instructed, and social observational extinction of avoidance: Fear-opposite actions and their influence on fear extinction. Behaviour Research and Therapy. 137, 103797. doi: 1016/j.brat.2020.103797. Open data & preprint: osf.io/7en2h/

Generalisierung von Angst und Vermeidung

Oft wird Angst und Vermeidung in Bezug auf einen spezifischen Reiz (z.B. Hunde) oder Situationen gelernt (z.B. Vortrag halten).  Generalisierung beschreibt die Übertragung von Angst auf neuartige Reize oder Situationen, die dem ursprünglichen Reizen oder Situationen ähneln (z.B. andere Tiere, in einer Gruppe sprechen). Normalerweise handelt es sich dabei um einen adaptiven Prozess, der uns dazu befähigt, neue potentielle Bedrohungen zu vermeiden, ohne dafür neue negative Erfahrungen machen zu müssen. Die aktuelle Befundlage deutet allerdings darauf hin, dass eine übermäßige Generalisierung von Angst ein maladaptiver, pathogener Prozess bei Angststörungen ist. Eine Übergeneralisierung von Angst führt zu einem fehlerhaft übersteigertem Gefühl von Bedrohung, einem erhöhtem Angstzustand und
fördert möglicherweise dysfunktionales Vermeidungsverhalten. In diesem Forschungsbereich interessieren wir uns besonders dafür, wie Generalisierung zu Vermeidung führt.

Exemplarische Publikationen:

Wong, A. H. K., Lee, J. C., Engelke, P., & Pittig, A. (2023). Reduction of costly safety behaviors after extinction with a generalization stimulus is determined by individual differences in generalization rules. Behaviour Research and Therapy, 160, 104233. doi: 1016/j.brat.2022.104233

Wong, A. H. K. & Pittig, A. (2022). Threat belief determines the degree of costly safety behavior: Assessing rule-based generalization of safety behavior with a dimensional measure of avoidance. Behaviour Research and Therapy, 156, 104158. doi: 1016/j.brat.2022.104158. Data: osf.io/62qxy/

Wong, A. H. K. & Pittig, A. (2020). Costly avoidance triggered by categorical fear generalization. Behaviour Research and Therapy. 129, 103606. doi: 1016/j.brat.2020.103606

Zeitliche Dynamik von Annäherungs-Vermeidungs-Konflikten

Personen, die unter Angst leiden, vermeiden häufig angstrelevante Aktivitäten oder Situationen, selbst wenn dies zu Verlust konkurrierender positiver Folgen führt. Während einer expositionsbasierten Behandlung ist jedoch eine Annäherung an diese Situationen und Aktivitäten erforderlich, um neue Lernerfahrungen zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund sind Entscheidungskonflikte zwischen der Vermeidung und Annäherung von hoher Relevanz. Im Rahmen dieses Projekts untersuchen wir, wie sich Entscheidungen zwischen Annäherung und Vermeidung über die Zeit entwickeln (d.h. die zeitliche Dynamik dieser Entscheidungen) und wie sie schließlich gelöst werden. Insbesondere wollen wir der Frage nachgehen, wie Informationen über konkurrierende Belohnungen und potentielle Bedrohungen in den Entscheidungsprozess integriert werden. Zu diesem Zweck setzen wir Mouse-Tracking und zeitkontinuierliche Analyseverfahren ein, um Einblicke darüber zu erhalten, welche Informationen welche Auswirkungen während des Entscheidungsprozesses haben.

Exemplarische Publikationen:

Boschet, J., Scherbaum, S., & Pittig, A. (2022). Costly avoidance of Pavlovian fear stimuli and the temporal dynamics of its decision process. Scientific Reports, 12, 6576. doi: 1038/s41598-022-09931-1. Open data: osf.io/tbxug/

Pittig, A. & Scherbaum, S. (2020). Costly avoidance in anxious individuals: Elevated threat avoidance in anxious individuals under high, but not low competing rewards. Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry, 101524. doi: 1016/j.jbtep.2019.101524